Donnerstag, 28. Dezember 2017

II. Zimbabwe 2009 - Im Klavier lebt ein Gecko oder: Wie aus der Henne ein Hahn wurde




Siya Lima oder ‘Im Klavier wohnt ein Gecko’
Nun bin ich also angekommen und kann die Farm, auf der ich bis zum 25.08. die Pferde bewegen soll, erstmal richtig begutachten.
Siya Lima war einmal eine von Simbabwes Vorzeigefarmen – aber das war einmal ... Ich werde hier mit der politischen Vergangenheit und Gegenward dieses Landes konfrontiert. Aber hier auf Siya Lima hat das alles noch einen fast romantischen Charakter, da die Farm schon lange nicht mehr bewirtschaftet werden darf. Das brachgefallene Land hat etwas Verwunschens und das Farmhaus einen besonderen maroden Touch. Spaeter im Lowveld auf der Ranch von Theresa und Gary soll die Politik des alten Mannes fuer mich deprimierende Alltaeglichkeit werden. Aber jezt ist erstmal romantische Verklaertheit angesagt...

Das faengt schon mit der Landschaft an, hier im Norden von Simbabwe ist es so schoen, dass ich am ersten Tag als wir zur Kopje Top Logde ritten, oft heftig schlucken musste, um nicht angesichts der wilden Schoenheit in Traenen auszubrechen. Mir sass oft ein Kloss im Hals und auch hier auf Siya Lima laufe ich oft mit angehaltenem Atem rum, so dass mein Herz Muehe hat da mitzuhalten. Es passiert mir immer mal wieder beim Ausreiten, dass mir die Luft wegbleibt und ich erfahre zum erstenmal koerperlich die ‚atemberaubende’ Schoenheit einer Landschaft.
Ich muss mich selbst erinnern: Atme – Maike! Atme

Siya Lima Farmhaus mit umgebenden Ländereien und Staudamm
Siya Lima ist keine normale Farm. Die Eigentuemer sind viel gereist und haben sich insbesondere von suedeuropaeischer Architektur inspirieren lassen. Die Farm ist vor dem politischen Zusammenbruch des Landes als "toskanische Villa" in die Architekturmagazine Simbabwes eingeflossen. 
Der Eigentümer hat hier ein Haus gebaut, dass mich allerdings eher an eine spanische Hazienda erinnert. Das Anwesen ist auf einem kleinen Felsen gebaut und teilweise mit einer Mauer umgeben - es wirkt wie eine kleine Burg.


So sind alle Raeume auf verschiedenen Ebenen und mit Treppen und Gaengen verbunden – das reinste Labyrinth. Die Gebaeudedaecher sind fast alle in Tonnenform, so dass innen ein Gewoelbeeindruck entsteht. 



Auch die Stallungen sind so gebaut. Die Stallgasse hat die Anmutung einer Kirche. An beiden Seiten ist dieses ‚Mittelschiff’ mit grossen Toren versehen, alte verstaubte Kronleuchter haengen von der Decke. Rechts und links befinden sich die Torboegen der riesigen Stutenboxen. Die Erbauer waren erfolgreich in der Rennpferdezucht. In der Mitte geht es rechts zu den alten Hengstboxen, links in den Auslauf, der mit einer halbhohen Mauer umgeben ist – auch hier wieder Boegen in der Mauer. Im Auslauf steht ein alter barock anmutender, zerbrochener Springbrunnen.


Stallgasse oder Kirchenschiff?
Auch in den Innenhoefen des Wohnhauses sind alte Wasserspeier und Wasserbecken nur leider gibt es im ganzen Haus kein fliessendes Wasser mehr, seit die Windmuehle umgefallen ist und der Mensch, der behauptet der neue Eigentuemer zu sein, kein Geld investiert, um diese wieder in Gang zu bringen.

Blick aus dem Innenhof auf das Stalldach


Der Hauptinnenhof
Hier verbrachte ich also 9 Tage ohne Janine und James. Nesbet der Manager von Koje Tops leistete mir manchmal zum Dinner Gesellschaft. Ansonsten waren da noch der Koch Pension und Steven der Pferdepfleger sowie Shepart, ein Gehilfe.
Ich lief durch das Anwesen wie im Maerchen, die Raume sind gross und herrschaftlich, das Esszimmer wirkt wie ein alter Rittersaal mit riesigem Kamin.


Das Esszimmer
Vom Wohnzimmer oder Salon hat man einen wunderschoenen Blick auf die ehemaligen Weiden und den darunter liegenden ehemals zur Farm gehoerenden Stausee. Alles atmet eine Marode Atmosphaere und im Klavier lebte ein Gecko. 

Die Wohnung des Gecko
In meiner Suite mit Kamin, riesigen halbrunden Fenstern und einer runden Badewanne mit Blick auf die Berge broeckelt der Putz von der Gewoelbedecke.

Meine Badewanne - Herrlich, auch ohne fließendes Wasser
Das Moskitonetz verwandelt mein Bett in eine kuschelige Liegewiese, die Tigger, der Wachhund unbedingt mit mir teilen moechte. Nachts muss er jedoch vor dem Bett wachen, aber morgens darf er zum kuscheln aufs Bett und nimmt es mit Freude gleich ganz in Beschlag.

Tigger hat mal wieder mein Bett belegt

‚Pension’ der Koch und Hausgehilfe, sorgt ruehrend fuer mich. Wartet um 6:00 mit dem early mornging Tea auf mich, entdeckt meine Liebe zu frischen Grapefruit zum Fruehstueck, dass er mir nach meiner der Stallarbeit und einem Ausritt um 09:00 serviert. Kocht mittags und abends, waescht und buegelt meine Waesche, macht mein Bett und reinigt meine Suit. Bringt mir vor dem Dinner 20 l heisses Wasser fuer die große runde Badwanne ... Das bin ich alles gar nicht gewohnt so bedient zu werden.


Und dann sagt er noch 'Madame' zu mir. Das ist in Afrika zwar ueblich und es  werden auf der Straße alle Frauen (egal welche Hautfarbe) so angesprochen denen gegenueber man Respekt ausdruecken moechte. Fuer mich war das aber neu, dass ich erstens eine männliche Haushaltshilfe zu meiner alleinigen Verfuegung habe und der mich zweitens respektvoll mit Madam anspricht.
Steven

Ansonsten sind da noch Steven, der frueher aktiver Springreiter war. Wir zwei haben Freude an schnellen Ritten z.B. auf dem ehemaligen Airstripp, der jetzt von mannshohem Gras zugewachsen ist und nur eine Fahrspur zum rasanten Galopp einlaed - und er zeigt mir bei den Ausritten die Umgebung von Siya Lima die einfach wundervoll ist. 


Shepert verschwindet im hohen Gras
Das Training der Pferde ist hier allein von der Landschaft und den Moeglichkeiten viel schoener als in Tanzania afu der Makoa Farm, wo wir beim taeglichen Ausritt immer nur Kaffeereihen rauf und runter reiten konnten, weil die Farm von zwei tiefen flusstaelern umgeben war. Hier auf der Farm im Norden von Zim steht einem eine Vielzahl von Wegen, brachliegenden Aeckern und verwunschen Pfaden im lichten Wald und rund um 3 grosse Stauseen zur Verfuegung. Einfach traumhaft.


Wie aus der Henne ein Hahn wurde:

Im Haus leisten mir Tigger, der Wachhund, Pablo - ein riesenhafter schwarzer Kater und Pouline – ein junger Hahn Gesellschaft, die drei sind fast unzertrennlich ... ein lustiges Gespann.
Pablo und Pouline

Pablo - the cat - ist Herrscher und Tigger weicht ungefragt, wenn Pablo kommt um eine Streicheleinheit von mir fordern. Er beisst den schlafenden Tigger schon mal herzhaft ins Ohr, wenn er meint Tigger liege im Weg. 








Pouline schlaeft jeden Abend neben dem Esstisch auf dem Rand einer grossen Terracottavase und bevor er einschlaeft schaut er mir interessiert zu und gluckst rum, er erzaehlt wohl von den Erlebnissen des Tages.
Poulines Schlafplatz auf der Terracotta Vase beim Dinner
Ich dachte erst er waere eine Henne, deshalb gab ich ihm den Namen Pouline.
Dass die Henne ein Hahn ist erfuhr ich so:
Jeden Morgen um 4:30 kraehte ein Hahn sehr laut und ausgiebig und jeden Morgen dachte ich: wenn ich den erwische landet er im Topf.’ 

Eines Abends fehlte Pouline bei unserem gemeinsamen Dinner, nur Tigger lag unter dem Tisch und Pablo saß auf dem Stuhl neben mir. 
Pension sagte er haette Pouline unter Protest zu den anderen in den Stall gesperrt.  Ich fand das sehr schade, aber diese Nacht schlief ich durch und hoerte im Halbschlaf nur einen Hahn weit entfernt im Stall kraehen. 

Noch ahnte ich aber nichts. Am naechsten Tag wollte Pension Pouline, der sich  mit Tigger und Pablo vor der Hoftuer rumtrieb und auf Einlass ins Esszimmer wartet, in den Stall sperren, was ich verhinderte. Ich hatte mich zwischenzeitlich so an seine Gesellschaft gewöhnt und fand das ganz witzig mit drei von den "Bremer-Stadtmusikanten" zu Dinnieren.  Pouline war an diesem Abend sichtlich und hoerbar verstoert von der wilden Jagt die Pension auf ihn gemacht hatte und kommentierte an diesem Abend lange vor sich hin.... bevor seine Aeuglein zufielen.
Pouline auf seiner Vase
Am kommenden Morgen wachte ich prompt wieder um 4:30 von dem Kraehne eines Hahnes auf – da war mich alles klar. Pouline, die vermeintliche Henne war der Uebeltaeter, sie war ein junger Hahn! Und mit Maedchennamen dazu! Egal, ich beschloss: er behaelt den Namen und sein Leben.
Ein paar Tage spaeter versuchte er sich das erste Mal an einer der Hennen. Die Dame war sichtlich genervt weil Pouline immer von der falschen Seite aufsprang und auf der Henne rumturnte. Sie suchte laut fluchend das Weite. Ich dachte: na mein Junge da muessen wir noch etwas ueben. 

Pouline, die Henne, die ein Hahn war
Und was soll ich sagen, keinen Tag spaeter beobachtet ich, wie Pouline sich an der Grapefruit versuchte ... ein lustiges Bild, weil die immer wegrollte und das Balancieren unmoeglich machte ... Na ja Uebung macht den Meister!








Anmerkung: Man kann die Farm heute komplett anmieten, am besten mit einer Großfamilie oder einer handvoll guter Freunde - ob es mittlerweile wieder fließendes Wasser gibt, kann ich nicht sagen  - aber es wäre das Abenteuer in jedem Fall wert.
http://vardensafaris.com/about/2011/36/

Mittwoch, 27. Dezember 2017

I. Zimbabwe 2009 - 2,5 Monate im Land eines Diktators



Keine Zeit anzukommen …
Die ersten 6 Tage in Zim waren so intensive, dass ich das Gefuehl habe schon 3 Wochen hier zu sein.

Der Flug von Nairobi ueber Lusaka in Zambia nach Harare war ein Nachtflug und ich kam am 13. August gegen 01:30 Uhr an. Im Flieger traf ich John Stevens ein aelterer Zim-Guide mit eigenem Safariunternehmen, der auch in anderen afrikanischen Laendern Safaris organisiert und gefuehrt hat. Wir hatten viel Spass, besonders als wir feststellten, dass er Janine und James Varden kennt, John sagte mir, dass James als einer der besten Guides in Zim gilt. Na, dann schauen wir mal ...


Am Flughafen wurde ich von Feru abgeholt. Bei Vardens angekommen fiel ich um 02:00 Uhr morgens tot ins Bett, um dann um 08:00 Uhr meine Gastgeber kennenzulernen. Nach dem Fruehstueck ging es auch schon mit Safari-Vorbereitungen in den Mavuradonha Mountains los. Eine  lange Shoppingtour mit Janine, Danach kannte ich gleich mehrere Supermaerkte in Harare. Dann noch schnell ein Pferde reiten, beim Beladen des Trucks helfen und ab die Post, Richtung Norden. 2,5 Stunden Fahrt und wir kamen im Dunkeln auf der Farm ‘Siya Lima’ an. Der Wagen musste entladen und die Ladung für den Folgetag vorsortiert, dann Dinner und um 22:00 wieder tot in ein riesiges Bett fallen. Puh!



Morgens um 5:30 raus, 6:00 Tee, Pferde vorbereiten, Rucksack fuer 3 Naechte packen und aufsteigen. Steven, Shepard, die beiden Bereiter, und ich ritten zur Kopje Tops Logde (gesprochen: Koppi). 
Ein 1,5 Stundenritt zu Dritt mit 8 (!) Pferden ueber Stock und Stein, schmalste gewundene Wege durch Wald und Busch an einem lohdernden Buschfeuer vorbei, in Schritt und Trab. Galopp ist mit Handpferden in diesem Gelaende nicht moeglich, wenn man sich nicht um den naechsten Baum wickeln moechte.… Uff, das war schon mal ein Vorgschmack auf dass, was mich reiterlich in den naechsten 4 Wochen erwarten wuerde.


In der 'Lodge' angekommen, kurzes Erfrischen fuer Pferde und Reiter, um 12:00 Gaeste begrüßen. Eine reiterlich unerfahrene Familie mit zwei Kindern, es wuerde eine einfache Safari werden – gut fuer mich zum Eingewoehnen!

Packen für die Reitsafari
Nach dem Lunch gab es einen 2-stuendigen Ritt zum Kennenlernen der Pferde und dann weiter fuer 2 Naechte ins Bat Caves Camp. Wir folgten Elefantenpfaden und das Geleande blieb, wie ich es schon am ersten Tag erlebt hatte, ansprucksvoll huegelig bis bergig mit vielen Steinen und Felsen. Es geht steil bergauf und bergab, durch uebermanns hohes trockenes Gras, schoene Baeche und lichte Waelder und Plateaus mit herrlichen Aussichten.  
Zimbabwe ist bekannt fuer die unglaublichen Felsformationen, wo riesige runde Granitbloecke wie Hinkelsteine uebereinander gestapelt sind und so auf einander balancieren, dass man sich fragt, weshalb nicht alles zusammenstuerzt.
 


Bat Caves Camp, liegt oberhalb des Twingariver und bietet einen herrlichen Blick ueber die Felslandschaft des Flusses und einen in die Felsen gewaschenen ‘Natur-Swimmingpool’.

Twinga River

Das Camp ist sehr basic und hat nichts mit den sonst in Afrika ueblichen festen Zeltcamps oder Flycamps zu tun. Wer hier her kommt, findet vielmehr eine sehr urspruegliche Art von Safari. Es gibt keinen Fahrweg ins Camp und auch keinen Airstrip, das heisst, alles was hier verbaut ist, wurde entweder auf dem Pferderuecken hertransportiert oder ist eben Baumaterial, was die Natur vor Ort liefert. Und es gibt keinen Strom und auch keinen droehnenden Generator ...



Die Lage des Camps, mitten im Mavuradonha-Nirgendwo heisst auch, dass alles Camping und Kuechenequipment mit Pferden und Traegern ins Camp gebracht werden muss. Wer moechte, kann die Nacht im Schlafsack am Feuer verbringen.


Das tat ich - kalt wuerde es ausserdem werden, denn im August ist hier Winter und die Naechte sind eisig. Meine Ausruestung war nicht wirklich auf diese naechtliche Temperatur eingestellt und so hatte ich beide Naechte alles an, was ich im Rucksack finden konnte und saß zum ‘morning call’ um 07:00 schon eine Stunde froestelnd am Feuer nach der Katzenwaesche im kalten Fluss.



Die Ritte fuherten auf den Elefantenpfaden zu Jahrtausende alten Felsmalereien, herrlichen Aussichtspunkten, entlang verwunschener Bachtaeler und durch lichte Waelder und gelbgoldenes mannshohes dichtes Gras. 

Am 17.08 waren wir mittags zurueck in Kopje Tops. Und nachdem die Gaeste abgereist waren ritten Steven, Shepert und ich mit den Pferden zurueck nach Siya Lima. Dieses mal liessen wir die Pferde frei mitlaufen und genossen nach 2,5 Tagen Schritt und Trab endlich mal einen rasanten Galopp, der auf den gewundenen Pfaden durch den Wald besonders viel Spass machte, man muss nur auspassen dass man sich nicht die Knie an den dicht stehenden Baeumen rammt oder von tiefhaengenden Aesten ‘gekoepft’ wird.

Nun war endlich Zeit anzukommen ...